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Mit einer Sehbeeinträchtigung nach Griechenland

Interview mit Max

Auf dem Bild sieht man den Student Max Grote in einem weißen Hemd. © Max Grote​/​Privat

Max, Student der  Angewandten Sprachwissenschaften an der TU Dortmund, musste - aber auch wollte! - für sein Studium ins Ausland. Das ist auch so für viele eine große Herausforderung, aber mit einer Sehbeeinträchtigung noch eine andere Nummer. Aber durch die zusätzliche Förderung für Menschen mit Behinderung oder chronischer Erkrankung im Rahmen von Erasmus+ können auch die größten Herausforderungen überwunden werden.

In diesem Interview gibt Max Einblicke in seine Vorbereitungen und seinen Alltag im Erasmus+ Semester in Griechenland.

1)    Warum haben Sie sich Athen für Ihren Erasmus+ Auslandsaufenthalt ausgesucht?
Athen bietet doch viele Gründe für einen Besuch. Ob die kulinarischen Spezialitäten, das schöne Wetter Griechenlands oder die super netten Menschen - alles kann ich auch nach meinem Aufenthalt bestätigen. Natürlich gab es dazu bei mir auch noch fachliche und persönliche Gründe: In meinem Studiengang ist ein Auslandssemester verpflichtend, das war für mich auch keine zusätzliche Hürde, sondern ein Pluspunkt, denn mir war bereits klar, dass ich im Verlauf des Studiums gerne ins Ausland gehen möchte - also Win-Win. Fachlich passten die Inhalte und Seminare, die ich auf der Website der Kapodistrean University of Athens entdecken konnte auch sehr gut zu dem, was ich schon gemacht hatte und noch machen wollte. Zu guter letzt hatte ich durch von mir mitorganisierte europäisch-internationale Projekte im Rahmen des Erasmus+-Programms bereits ein paar Leute von dort kennengelernt.

2)    War dies Ihr erster Auslandsaufenthalt? Oder haben Sie schon andere internationale Erfahrungen gemacht, die Ihnen geholfen haben, diesen Schritt zu wagen?
Ich war vor dem Studium bereits nach dem Abi für ein knappes Jahr im Ausland. Ich habe einen Europäischen Freiwilligendienst (mittlerweile European Solidarity Corps) bei VIEWS International, einer Organisation in Liège im Herzen des französischsprachigen Teils Belgiens gemacht, dabei sehr viele Menschen aus ganz Europa bei internationalen Jugendbegegnungen, Meetings, Seminaren und Trainings kennengelernt und hatte dort eine sehr schöne Zeit. In dieser habe ich gerade den europäischen Zusammenhalt und die unglaublich schöne Vielfalt unserer Kulturen schätzen und lieben gelernt. Neben meinen Büroarbeiten an Übersetzungen (Englisch-Französisch und Französisch-Englisch), der Website,  Artikeln für den Newsletter usw. war ich in internationalen, meist inklusiven (Jugend)Projekten als Activity Leader, Organisator, Moderator und Mitentwickler eingebunden. Diese großartige Erfahrung war auf jeden Fall auch ein starker Grund für den Wunsch nach einer weiteren, großen Auslandserfahrung.

3)    Studierende mit Behinderung und/oder chronischer Erkrankung gehen noch relativ selten ins Ausland. Wie würden Sie diesen Studierenden Mut machen trotz ihrer Einschränkung im Ausland zu studieren?
Just do it! Es gibt dabei so viel zu gewinnen, zu lernen, zu erfahren und zu entdecken, das wiegt keine Barriere auf. Allgemein denke ich immer, dass es hilft, nicht zu viel Angst vor möglichen Grenzen zu haben, sondern viel mehr auch einfach mal auszuprobieren, was es noch alles gibt und was noch so geht. Vieles ist möglich, auch wenn man es für schwierig hält. Außerdem findet man Schwierigkeiten überall, auch im eigenen Land und woanders gibt es genau so viele super nette Menschen, die einem auch gerne helfen, wenn man lieb fragt. Und wenn man diesen Menschen dann mit der gleichen Offenheit gegenüber tritt, gibt es super viel zu entdecken, das ist einfach immer wieder eine mega Erfahrung und die ist überall anders. Zudem ist man auch im Heimatland nie alleine. An der TU gibt es z.B. das Referat Internationales. Die helfen an allen Ecken und Enden und bringen euch super lieb und entspannt durch den Papierdschungel, den so ein Erasmusaufenthalt mit sich bringt. Für die spezielleren Anliegen gibt es dann ja auch noch die Leute vom DoBuS, die mit ihrer Expertise, Rat und Tat zur Seite stehen, da läuft auch wirklich alles reibungslos. Wenn es besondere, individuelle Schwierigkeiten oder Bedürfnisse gibt, wird auf jeden Fall eine kompensierende Lösung gefunden, macht euch keine Sorgen.
In Athen an der Uni wurden mir durch das dort sehr aktive European Student Network gleich zwei "Buddies" zugewiesen: Eine Sehende Mitstudentin aus meiner Fachrichtung, die mir gerade anfangs viele Fragen beantworten konnte und eine, die zwar etwas Anderes studierte, aber wie ich blind war und somit in allen spezifischeren Anliegen wusste, was geht. Die Uni of Athens hat also ebenfalls einen sehr guten Job gemacht, kann ich also auch in diesem Punkt nur weiterempfehlen. Natürlich sind aber bestimmt auch andere Universitäten in Europa zumindest kooperativ und offen für euch, also einfach machen - das wird schon alles gut.


4)    Hat die Kultur Ihre Erwartungen getroffen? Gibt’s Klischees, die wirklich wahr sind?
Die Kultur hat auf jeden Fall meine Erwartungen getroffen. Die Leute dort waren alle super nett, aufgeschlossen und liebevoll. Klischees gibt es natürlich zu jeder Kultur, einige davon sind natürlich nicht ohne Grund entstanden - so zum Beispiel das vom wirklich sehr guten (aber natürlich auch sehr Fleisch-lastigen) griechischen Essen, da gibt es wirklich sehr, sehr leckere Köstlichkeiten zu entdecken - die typischen (Oliven, Feta oder natürlich Souflaki und Gyros - nicht nur am Spieß sondern auch gerne als Snack im Pitabrot mit Pommes, Tsatsiki/Sauce und Salat) oder auch hausgemachte Gerichte wie Kokinisto (super lecker! probiert es, wenn ihr da seid und denkt an mich). In der Uni gab es natürlich auch was zu essen in der Kantine - mittags und abends gab es warme Gerichte, mit einer Mensacard war alles inclusive. Aber das eingedeutschte Kombinationsmenü aus Gyros mit Reis und Tsatsiki gibt es in der Form nicht in Griechenland. Da bekamen bereits vor meinem Auslandssemester Griech*Innen regelmäßig Kulturschocks und verständnislose Blicke, wenn es ihnen woanders als typisches, griechisches Essen aufgetischt wurde. Und auch die flüssigen Schätze des Landes - egal ob Olivenöl oder doch lieber Wein und Uso - lohnen sich natürlich. Trotzdem wäre es falsch, dieses schöne Land auf Kulinarikklischees, historische Sehenswürdigkeiten oder die Geschichte der alten Griechen inklusive Erfindung der Demokratie, auf welche die griechischen Menschen natürlich stolz sind, zu reduzieren. Vor allem diese Menschen sind es, die mir in Erinnerung geblieben sind, die meinen Auslandsaufenthalt zu dem gemacht haben, was er war und die ich allesamt in mein Herz geschlossen habe. Allein dafür lohnt sich eine solche Erfahrung bereits. Und ja, oft trifft das Klischee schon zu, dass viele von denen zwar sehr temperamentvoll und emotional sind, aber gleichzeitig vieles auch entspannter und einfach weniger verkrampft oder verschlossen angehen - da kann man sich manchmal was von abschneiden. Trotz alle dem hat auch ein jedes Klischee seine Lücken zur Vielfalt. So gibt es beispielsweise natürlich die typische, griechische Musik mit Mpouzouki, die man sich wahrscheinlich nur all zu stereotypisiert vorstellen kann, wenn man an Griechenland denkt. Auf der anderen Seite gibt es aber genau so Popmusik auf Griechisch. In den letzten Jahren ist auch dort Trap sehr angesagt. Da haben auch die Erasmusstudierenden dann irgendwann mitgesungen oder es probiert. Die griechische Kultur ist auf jeden Fall sehr vielseitig, da gibt's viel zu entdecken und natürlich auch Dinge, von denen man sich mal was abschauen könnte. Als Fan von Sprachen war es für mich natürlich auch eine super Gelegenheit, um die griechische Sprache kennenzulernen und direkt in vielen Gesprächen zu üben. In Deutschland bekomme ich dafür oft zu hören, dass es ein bisschen nach Spanisch klingt - vielleicht kam es ihnen aber auch einfach nur Spanisch vor ...
Es gäbe noch viel mehr zu erzählen - von traditionellen Feiertagen, Besonderheiten, schönen und auch ungewöhnlichen Bräuchen und vielem mehr, aber es ist doch viel schöner, das alles selbst zu erleben, als nur davon zu lesen. Also, worauf wartet ihr?

5)    Was gab es für kulturelle/sprachliche Missverständnisse? Gab es eine witzige Anekdote/Situation, die Sie mit uns teilen möchten?
Kulturelle und sprachliche Missverständnisse tauchen natürlich immer auf, wenn verschiedene Kulturen oder Sprachen aufeinander treffen. Meist sorgen sie erst für Verwirrung und enden dann aber damit, dass sich alle Beteiligten darüber gemeinsam kaputtlachen. Ein sprachliches Missverständnis gab es im Englischen bereits in meinen ersten Tagen dort: Ich war neu im Seminar und eine sehr sympatische Studierende sprach mich an, um herauszufinden, wer ich bin. Im Gespräch fragte sie mich: "How did you come to Greece?". Was sie eigentlich wissen wollte: Wie kommt es, dass du in Griechenland bist? Warum hast du dir das ausgesucht? Was ich auf Grund der Formulierung verstand: Wie bist du nach Griechenland gekommen? Meine Antwort war kurz und direkt: By plane, mit dem Flugzeug. Da dachte sie schon: Oh je, das war's mit dem Gespräch. Wir konnten das Missverständnis aber schnell klären. Seitdem lachen wir immer, wenn wir an unser erstes Kennenlerngespräch zurückdenken.


Max ist auch Musiker - auf Spotify und YouTube und überall, wo man Musik streamen kann, können Sie seine Songs hören.